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Die aktuelle Rezension
(Dezember 2007)

Hans-Ulrich Treichel:
Der Papst, den ich gekannt habe
Frankfurt/ Main: Suhrkamp Verlag 2007, 119 Seiten
ISBN 978-3-518-41932-8
"Man kann auch zu viel können."




Wo Treichel draufsteht, steckt normalerweise auch viel Treichel drin. Will sagen: Die Texte des 1952 im westfälischen Versmold geborenen Lyrikers, Essayisten und Prosaisten Hans-Ulrich Treichel sind zu einem nicht geringen Teil autobiografisch inspiriert. Wer sie liest und sich im Lebensauf und -ab des heute 55-Jährigen auskennt, wird nicht nur eine Parallele entdecken. Das gilt für die Gedichte sowieso, aber auch für seinen mir bis dato liebsten Roman - Der Verlorene (1998) -, in dem er Flucht und Verlust am Ende des Zweiten Weltkriegs anhand des Schicksals der eigenen Familie aufarbeitet, und dessen Folgebücher Tristanakkord (2000), Der irdische Amor (2002) und Menschenflug (2005). Doch gilt es auch für Treichels aktuellen literarischen Streich?

Der Papst, den ich gekannt habe tritt unter der Genrebezeichnung Erzählung auf. Ein Ich gibt sich dem Leser zu erkennen, das anscheinend viel auf dem Kasten hat, in der Welt herumgekommen ist und Bescheidenheit nicht zu seinen Kardinaltugenden zählt. Der Mann spricht etliche Sprachen perfekt, ist musisch begabt und, dank eines bunten Straußes absolvierter Studien unterschiedlichster Provenienz, immer mit der Frage konfrontiert, welch gewichtigem Zweck er seinen nächsten Lebensabschnitt widmen soll. Jedenfalls behauptet er all das in einem Ton, dem sich schlecht widersprechen lässt. Wir begleiten ihn nach Italien, Frankreich, Spanien und Jamaika, erleben ihn in New York als Dog Walker, in Neapel im Clinch mit der Mafia und schließlich als Sozialarbeiter in der Karibik.

Und trotzdem werden wir nicht warm mit dem Mann. Ja, je mehr der Bursche sich uns öffnet - in einem Duktus, der mal an den Felix Krull des Thomas Mann, mal an das Thomas Bernhardsche, insistierende Sprechen erinnert -, desto größer werden die Zweifel, ob wir hier nicht in den Bannkreis eines grande causeur geraten sind, der uns einen Bären nach dem anderen aufbindet. Dessen Abenteuer alle den gleichen Verlauf nehmen wie jene Episode, die dem Buch den Titel gibt. Denn das "Kennen" des polnischen Papstes besteht bei genauerem Hinsehen in nicht mehr als einer Zufallsbegegnung der beiden Männer, die alles andere als persönlich verlief und obendrein nach wenigen Sekunden vorbei war. Dass die nebensächliche Episode dennoch für ein paar Seiten munteres Parlando herhalten muss, lässt befürchten, dass hinter allen anderen Abenteuern, in die es den Umtriebigen vor des Lesers Augen verschlägt, auch nur heiße Luft ihr Spiel mit bunten, schnell zerplatzenden Seifenblasen treibt.

So braucht es eigentlich gar nicht mehr den desillusionierenden Schluss, der uns unseren Mann als Insassen einer geschlossenen Anstalt vorstellt. "Irgendetwas ist schief gegangen", hören wir. Vor leeren Notizbüchern sitzend, versucht der Unglückliche, seine Lebensleere mit - erfundenen? - Geschichten zu füllen. Wir sind auf sie hereingefallen, denn hätten wir sonst so weit gelesen und uns - gelegentlich jedenfalls, beileibe nicht auf der ganzen Strecke des Buchs - so gut und entspannt unterhalten?

In Der Papst, den ich gekannt habe geht es um die Kunst, aus Nichts Viel zu machen. Also um Hochstapelei. Also um Literatur. Wer schreibt, kann nicht zur selben Zeit abenteuernd über die Kontinente ziehen. Wer auf Reisen ist, dem füllen sich nicht automatisch die Notizbücher. Der schaut sich um und senkt den Blick nicht auf die Zeilen.

Treichels Erzählung vermag deshalb nur Literatur zu sein, weil sie nicht hält, was ihr Titel verspricht, den Leser aber gleichzeitig darüber zum Nachdenken bringt, warum sie so tut, als ob. Sie zieht damit in den Zwiespalt zwischen Leben und Schreiben, Fantasie und Realität, Aventure und Tristesse. Ruhig kann man in dem nicht leben. Denn egal, für welche Seite des Konflikts man sich endlich entscheidet, man verpasst die andere. Das ist nicht wenig tragisch. Macht als knapp 120-seitiges Buch aber auch eine Menge Spaß. Nur alles glauben darf man nicht. Von Anfang an!



© 2007 by Dietmar Jacobsen/ Alle Rechte beim Autor


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